EmoTalk Wolfgang Pauritsch Carmen Uth

Wolfgang Pauritsch: Ehrlich besser im Geschäft

Im EmoTalk mit Carmen Uth von chancemotion®

 

UTH: Herzlich willkommen, Herr Pauritsch. Ich habe im Vorfeld etwas recherchiert und muss sagen, bin wirklich geflasht, was Sie so alles in Ihrem Leben schon gemacht haben.

PAURITSCH: So alt bin ich noch gar nicht. Ich bin seit meinem 20. Lebensjahr im Kunsthandel tätig und mache das jetzt seit 27 Jahren. Ich habe schon viel gesehen, aber man findet immer wieder Dinge, die man noch nie gesehen hat. Und man lernt ständig dazu. Und das ist das Schöne.

 

UTH: In Ihrem Leben ist ja schon von Anfang an eine Menge passiert und das hat sicherlich auch Ihren Lebensweg geprägt.

PAURITSCH: Ich glaube, es war meine Bestimmung, dass ich schon früh selbständig sein musste. Und wenn du auf eigenen Beinen stehen musst und mit der Familie zusammenhilfst, dann gibt man auch mehr Gas. Wenn man alles geschenkt bekommt und mit dem goldenen Löffel aufgezogen wird, ist das wahrscheinlich nicht so. Ich kenne das ja nicht. Wenn man nicht viel kennt, vermisst man das ja auch nicht, dann ist man mit wenig zufrieden. Glück ist, mit dem Gegebenen zufrieden zu sein. So sehe ich das. Aber, ich hatte eine wunderbare, glückliche Kindheit. Meine Großeltern, meine Tanten, meine Onkel, meine Mama waren großartig und ich habe nichts vermisst. Wirklich nicht.

 

UTH: Im Laufe Ihres Lebens haben Sie ja unglaublich viel beruflich gemacht.

PAURITSCH: Ich habe viel ausprobiert, sagen wir mal so. Ja. Ich habe sehr gute Zeugnisse gehabt in der Schule und der Klassenlehrer wollte eigentlich, dass ich studiere, aber mir war klar, ich will meine Großeltern nicht länger auf der Tasche liegen und dass ich Geld verdienen will. Somit habe ich eine Lehre als Installateur und Rohrschlosser gemacht und mein erstes eigenes Geld mit 15 Jahren verdient. Ich bin dann natürlich schnell auf eigenen Beinen gestanden. Ich hatte immer Geld in der Tasche. Ich war Fischen mit meinem Großvater und dann haben wir die Fische verkauft. Wir haben Kirschen gepflückt und verkauft. Wir haben Spargel gestochen und den verkauft und Pilze oder Kastanien gesammelt. Ein paar Schillinge in der Tasche zu haben, gibt ein gutes Gefühl, weil, wenn man sich etwas kaufen will, kann man sich das erlauben. Das habe ich Gott sei Dank früh erkannt.

 

UTH: Sie haben viel ausprobiert, woher kam das?

PAURITSCH: Ich habe meine Lehre als Installateur abgeschlossen. Gleich nach der Gesellenprüfung habe ich im österreichischen Bundesheer gedient. Mir war ziemlich schnell klar, ich will ein bisschen mehr sehen, als Wien und die grüne Steiermark. Ich kann mich an einen Tag erinnern, da haben wir mit der ganzen Abteilung einen Österreich-Rundflug gemacht. Wenn Du in der Luft bist, siehst du all die Städte, die verschiedenen Monumente oder Burgen. Dann weißt Du: der Horizont ist ein bisschen weiter als die Steiermark. Ja, und dann habe ich auch noch eine Frau kennengelernt, die war ein bisschen älter als ich und hatte auch einen anderen Lebensstandard. Aus meinem Gehalt konnte ich sie nicht ernähren und ihr Vater hat mir ziemlich schnell klar gemacht, dass wenn man sich so eine Frau leisten will, und mit ihr auch das Bett teilt, dann hat man auch die ganze Familie zu ernähren. So wurde ich wieder ins kalte Wasser geworfen und musste mein Hintern bewegen, was mit nicht schwerfiel. Ich habe eben verschiedene Berufe ausprobiert, sagen wir mal so.

 

UTH: Was war der innere Antreiber, immer wieder diese Cuts zu machen und von vorne durchzustarten? Was Sie sich erarbeitet haben ist ja ein Invest an Zeit, an Energie, an Geld.

PAURITSCH: Ja. Aber ich war ja jung. Sie dürfen nicht vergessen, ich war 19 oder 20 Jahre alt. Da hat man noch andere Dinge im Kopf und man will ein Sportwagen fahren, eine schöne Uhr tragen und man will auch abends weggehen und feiern. Ich glaube es liegt mir im Blut. Ich habe ein paar wirklich schlimme Rückschläge gehabt, so dass ich wirklich überlegen musste, Mann, wie geht es jetzt weiter. Wie machst Du weiter. Aber es gibt für mich einen Grundsatz: Tue Recht und scheue niemanden, und wenn Du auch noch so viel Schlimmes erlebt hast oder auch Fehler gemacht hast, stehe dazu, bring die Wahrheit auf den Tisch, dann bist Du am schnellsten wieder am Ziel. Das habe ich schnell gelernt. Viele bezeichnen mich auch als Stehaufmännchen. Ich bin mir selbst treu geblieben. Ich war immer ehrlich oder habe versucht ehrlich zu sein. Daher habe ich immer wieder das Glück gehabt, richtige Menschen kennenzulernen, die einem dann eine Tür aufmachen. Du musst das Glück dann eben fassen und sagen, jetzt probiere ich es. Heute bin ich gut angekommen. Meine Berufung war es, Kunsthändler zu sein. Ich habe kein großes Vermögen, aber ich kann mir etwas leisten, wenn ich was will. Ich habe ein glückliches Leben. Ich habe eine großartige Frau. Und ich bin eigentlich wunschlos glücklich im Moment.

 

UTH: Das ist doch schön zu hören. Das Thema Selbsttreue, was bedeutet das für Sie?

PAURITSCH: Ich hasse es, wenn einem Menschen Unrecht getan wird. Dann versuche ich immer Partei zu ergreifen. Und, ich habe gelernt, dass Lügen kurze Beine haben. Wenn Du auch noch so einen Bockmist machst, musst Du sagen: Okay jetzt bin ich quasi in der Kloake, jetzt muss ich mich an den eigenen Haaren da wieder rausziehen, nach oben. Und das geht mit Ehrlichkeit am besten. Schauen Sie, ich kaufe ein Gegenstand ein. Ein Glasobjekt für 50 Euro und verkaufe es für 80 Euro weiter, dann habe ich 30 Euro verdient und jeder, der in den Laden kommt, weiß, der muss auch etwas verdienen. Natürlich darf ich nicht versuchen, das Glas für 500 Euro zu verkaufen. Das ist klar, denn ich will ja, dass der Kunde wiederkommt. Wir sind jetzt 26 Jahre hier in Oberstaufen.

 

UTH: Da wo andere Urlaub machen.

PAURITSCH: Da, wo andere Urlaub machen, darf ich arbeiten. Das ist mein Glück. Wir haben wunderschöne Berge und Natur und wenn man so lange an einem Fleck ein Geschäft hat, dann muss man ehrlich gewesen sein. Positive Werbung baust Du Dir über Jahrzehnte auf, aber an einer negativen Werbung hast Du ein paar Wochen zu kauen. Wenn Du einmal Fehler machst und bist in diesem Sumpf, dann kannst Du auch nicht am gleichen Standort bleiben. Wie gesagt, wir sind 26 Jahre hier, haben verdammt viele Stammkunden und unser Geschäft läuft wirklich gut. Sehr gut.

 

UTH: Und schließlich sind Sie ja auch in den Medien. Da verbreitet sich ja alles viral.

PAURITSCH: Ja. Das kam noch hinzu. Das mit den Medien, das hat natürlich viele Vorteile aber auch einige Nachteile. Als wir 2013 das erste Pilotprojekt mit fünf Sendungen gemacht haben, wusste keiner, dass das so ein Hype wird. Es hieß: Möchtest Du fünf Sendungen machen? Die werden alle acht Wochen an einem Sonntag ausgestrahlt. Ich dachte, gut, vielleicht ist das ja mal was Lustiges und habe da mitgemacht. Das kannte ich ja nicht. Und mittlerweile drehen die bei Warner Brothers 260 Sendungen im Jahr, plus die Prime Time nochmals 6 Sendungen. Das ist ein Mammut-Projekt geworden.

 

UTH: Absolut.

PAURITSCH: Aber die Einschaltquoten sind gut und daher ist auch kein Ende in Sicht. Ich habe natürlich nicht die Zeit, bei jeder dieser 260 Sendungen mitzuwirken, deswegen habe ich es jetzt reduziert auf 60 Sendungen im Jahr. Schließlich habe ich hier mit meiner Geschäftspartnerin mein Geschäft. Wir verdienen ja hier unser Geld.

Ich brauche natürlich Zeit für meine Stammkunden. Die sind gewohnt, dass ich mir Zeit nehme und denen habe ich ja es zu verdanken, dass ich heute hier sitze. Deshalb muss ich das auch pflegen. Deswegen mache ich nur 60 Sendungen. Es sind mittlerweile schon 25 verschiedene Händler und 15 verschiedene Experten am Tisch gesessen. Da die Sendung so groß geworden ist, wechseln die natürlich auch viel. Gott sei Dank wechselt das, weil ich könnte das nicht allein machen. Dann müsste ich diesen Laden hier zusperren und das will ich nicht.

 

UTH: Also ein bewegtes Leben. Sie hatten ja einige knifflige Situationen, aus denen Sie sich immer wieder herausgezogen haben. Wie schaffen Sie es, sich da zu orientieren?

PAURITSCH: Man darf nicht vergessen, das ist jetzt einige Jahrzehnte her, die letzten Jahre sind ja eher ruhig verlaufen. Wenn mir das heute passieren würde, weiß ich nicht, ob ich diese Energie nochmal hätte. Ich war 1996 24 Jahre alt und hatte mein erstes eigenes Geschäft in Oberstaufen. Damals hat mich jemand ausgeraubt und ich hatte von einem Tag auf dem anderen 150.000 D-Mark Schulden und zwar in Waren, die mir die Oberstaufener zum Verkauf gebracht haben. Ich hatte keine Versicherung. Ich hatte auch nicht das Equipment, sprich Alarmanlage, Tresor, Fensterglas, Panzerglas und so. So stand ich auf einmal da mit 24 Jahren und bin nicht davongelaufen. Ich habe mich dann vor diese Menschen hingestellt und habe mit ihnen gesprochen. Die haben natürlich böse auf mich geschimpft, weil sie dachten, der junge Österreicher hat das bestimmt selbst gedreht. So ging das Gerücht in Oberstaufen. Nur ein negatives Gerücht und man wird sofort bekannt. Es kannte mich jeder, vom Bürgermeister bis von dem Arbeiter von der Müllabfuhr. Jeder wusste, Pauritsch, das ist der Österreicher mit dem Einbruch. Dann hatte ich wiederum Glück, dass mir ein Sachverständiger, mit dem ich zufällig telefoniert habe, erzählte dass gerade ein großes Auktionshaus in Frankfurt am Main einen Auktionator suchte. Ich habe mich sofort dort gemeldet, und erzählt ich bräuchte jetzt einen Job, weil mein Geschäft in Oberstaufen leider kaputt ist. Darauf sagte er: Kommen Sie so schnell wie möglich her und machen Sie ein Probeversteigerungstag. Am nächsten Tag war ich im Zug, und habe dort eine Stunde lang versteigert. Es lief perfekt und ich habe gut verkauft. Dieser gute Mann hat mir sofort einen Vertrag vor die Nase gelegt und sagt, Herr Pauritsch, wenn Sie bei mir, 20 Auktionstage im Monat arbeiten, kriegen Sie 10.000 D-Mark, damals Fixum, plus Umsatzprovision. Ich habe sofort unterschrieben. Mit diesem Vertrag bin ich sofort zurück nach Oberstaufen gefahren und habe meine ganzen Gläubiger im Café Sonne getroffen und gesagt, Leute ihr habt zwei Möglichkeiten: Entweder ihr geht jetzt alle gerichtlich gegen mich vor, dann muss ich wahrscheinlich ein Offenbarungseid machen und ich fasse keinen Fuß mehr oder ich habe hier einen Vertrag. Da stehen 10.000 Mark Minimum im Monat drauf und wenn ihr einverstanden seid, stelle ich mich jetzt dieser Schuld. Jeder von euch kriegt von mir monatlich Raten. Ich zahle das an euch zurück. Dann habe ich den Saal verlassen, um ihnen Beratungszeit zu geben. Fünf Minuten später kam ich zurück. Da hat ein junger Mann das Wort ergriffen und sagt, Herr Pauritsch, wenn Sie auch schriftlich eingestehen, dass Sie uns das Geld schulden und wenn Sie uns bestätigen, dass Sie monatlich in Raten alles zurückzahlen, machen wir das. Dann hatte ich ungefähr 20 Gläubiger, also 20 Verträge. Ich nach Frankfurt gezogen und habe dort so viel wie möglich versteigert. Ich habe innerhalb eines Jahres geschafft, 150.000 D-Mark zurückzubezahlen. Und jetzt kommt der Umkehrschwung. Dadurch, dass mich jeder in Oberstaufen als den österreichischen Verbrecher kannte, der den Einbruch ja selbst machte, hat sich das auch sehr schnell rumgesprochen im Ort: Der hat uns jede Mark zurückbezahlt, der Junge. Wir wissen zwar nicht wie er es gemacht hat, aber er hat alles bezahlt. Und somit kannte mich jetzt jeder als österreichischer Ehrenmann. Auch wieder vom Bürgermeister bis zur Müllabfuhr. Später habe ich hier dieses Geschäft gefunden und seitdem bin ich hier.

 

UTH: Sie sagen ja, das war ja damals eine Extremsituation und jetzt läuft es gut, aber der Alltag von uns Menschen ist ja zum Glück nie ganz perfekt.

PAURITSCH: Das ist richtig.

 

UTH: Es gibt immer wieder Haken und Ösen. In unserem EmoTalk Gespräch wollen wir ja auch über Emotionen sprechen. Es geht ja auch darum wie man mit den alltäglichen Situationen umgeht, wenn es mal nicht so gut läuft. Wie schaffen Sie es, sich zu orientieren, sich ein Überblick zu verschaffen? Was unterstützt Sie dabei?

PAURITSCH: Also, ich habe immer aus dem Bauch raus entschieden und meistens richtig, ein paar Mal auch falsch. Aber man kriegt schon eine gewisse Menschenkenntnis im Laufe der Jahrzehnte. Man muss natürlich vorsichtig sein, wie man mit Menschen umgeht. Die Menschen sind unterschiedlich. Jeder ist ein Individuum. Es kommt oft eine Oma rein mit einer Vase und glaubt, das ist der Wert schlechthin, weil er zwei Weltkriege überlebt hat. Dann gucke ich mir das Ding an, und ich weiß, es ist keine 100 Euro wert. Dann muss man dieser Frau vorsichtig beibringen, dass eben der ideelle Wert höher ist und dass ich momentan kein Interesse an dieser Vase habe. Da muss man ein Feingefühl entwickeln. Wenn man sofort sagt, das ist nichts und was soll ich damit, dann ist der Kunde oder der Verkäufer enttäuscht, weil er diese Vase ein Leben lang wie einen Augapfel gehütet hat und das soll ja auch so bleiben. Ich erkläre dann, nehmen Sie die Vase wieder mit nach Hause, schenken Sie sie einmal Ihrer Enkeltochter damit das Stück in der Familie bleibt. Dann ist die Oma auch zufrieden. Es gibt natürlich auch Kunden, die kommen rein und sagen, was kostet die Welt. Wenn ich dann bei einem Bild 2000 Euro ansetze, sagt er, ich gebe dir ein Tausender. Dann muss man wieder umschwenken. Ich weiß natürlich auch, wie ich mit diesen Menschen umzugehen habe. Wir sind in der schönen Lage, dass wir keinerlei Schulden haben. Wir müssen nicht verkaufen. Wir können auch einmal sagen, das mache ich nicht. Und das ist ein großes Plus. Meine Geschäftspartnerin und ich, wir haben gelernt mit diesen Menschen umzugehen, aber wir behandeln alle gleich. Und was noch wichtig ist: Du darfst nie Vorurteile haben, wenn jemand reinkommt, den Du nicht kennst. Den meisten Menschen, die sehr vermögend sind, sieht man das nicht an. Und bei den Meisten die so tun, als gehöre ihnen die Welt, ist nicht viel dahinter, ist meine Erfahrung. Deswegen habe ich oft gestaunt, wenn Menschen etwas für eine Summe gekauft haben, von der ich anfangs nie gedacht hätte, dass dieser Mensch sich das erlauben kann. Aber schön, dass man so etwas erleben darf, in dieser Mischung, wie wir sie haben, von 18-jährigen bis 100-jährigen.

 

UTH: Also, würden Sie sagen Feingespür ist auch so etwas, was Ihnen hilft, sich zu orientieren?

PAURITSCH: Auch ein bisschen Psychologie lernt man mit der Zeit. Ich meine, wir haben natürlich mit einigen Menschen ein sehr langes Verhältnis. Wir haben Kunden, die haben wir 26 Jahre. Mein ältester Kunde, Christoph, ist 97 Jahre alt. Der kommt immer noch hier rein. Und von diesen Menschen, von dieser Lebenserfahrung, kann man sehr viel lernen. Die wissen, auf was es ankommt und auch, dass Geld nicht alles ist, weil ist alles nur geliehen. Irgendwann geben wir alles wieder ab, ob du ein Haus hast oder fünf, ob du ein Auto hast oder fünf. Es ist alles nur geliehen. Irgendwann wird es abgegeben und du liegst dann irgendwo im Sarg und hattest zwar ein schönes Leben, aber du kannst nichts mitnehmen. Wenn man sich das vor Augen hält – und das machen diese älteren Menschen. Die geben einem das Lebensgefühl und diese Gespräche sind Gold wert. Und von diesen Stammkunden haben wir jede Menge. Dadurch, dass ich bei der Fernsehsendung bin, habe ich natürlich weniger Zeit. Und die Zeit muss ich mir dann rausnehmen.

 

UTH: Sie haben ja ein richtig sattes Leben, aber Sie nehmen sich für Ihre Kunden Zeit. Letztendlich baut man auch eine Bindung zu seinen Kunden auf. Wie schaffen Sie das auf diese einzelnen Bedürfnisse einzugehen?

PAURITSCH: Ich schaffe das nicht immer. Es ist im Prinzip sehr schwer. Mittlerweile habe ich mir Tricks einfallen lassen. Wir haben Stammkunden, die wollen den ganzen Schmuck auf der Theke sehen und alles anprobieren. Das möchten die aber auch in Ruhe machen. Und es kommen sehr viele Leute, die wollen mit mir ein Foto machen und dass ich Ihnen ein Autogramm schreibe. Das mache ich schon auch, aber manche Menschen haben wenig Feingefühl. Ältere Leute erschrecken, wenn die reinkommen und sagen: „Da ist er, schau mal, da ist er, kommt alle rein.“ Und dann kommen zehn Leute rein. Das ist schon lustig, aber für die alte Dame nicht. Deswegen, wenn die Stammkundin kommt, sperre ich den Laden zu und wir schauen uns alles in Ruhe an und ich hänge die Colliers aufs Dekolletee, dann fühlen sie sich wohl. Es gibt nur das Problem. Ich habe hier im Geschäft eine Glastür. Die sehen mich dann hier drinnen und klopfen an die Türe, bis ich ihnen sage, tut mir leid, die nächste Dreiviertelstunde ist gesperrt, kommen Sie bitte am Nachmittag wieder. Dann gehen sie. Aber man lernt erst im Laufe der Zeit, wie man damit umgeht. Ich bin oft genug selbst erschrocken, wenn die hier reinkamen und einfach schrien, hier ist er, ich kenne Sie. Ist lustig. Aber ich lebe nicht von den Kunden, die ein Autogramm mit nach Hause nehmen. Ich lebe von denen, die von mir oder von uns etwas kaufen. Und da muss man abwägen, was einem wichtiger ist.

 

UTH: Man könnte ja dann denken: „Ach wie, der macht jetzt einfach hier zu und lässt uns nicht rein“. Da kommen ja dann vielleicht manchmal auch Blicke, die nicht unbedingt wohlwollend sind. Wie gehen Sie damit um?

PAURITSCH: Ich gehe damit um, wie ein ganz normaler Mensch. Wenn ich an der Wursttheke stehe, muss ich auch warten, bis die Menschen vor mir fertig sind. Und das ist das Quäntchen Geduld an dem führt kein Weg vorbei, weil in dem Moment alle Menschen gleich sind, ob Doktor oder nur ein ganz kleiner Mann. Und so muss man das auch hier im Geschäft haben. Wenn ich mich mit einem Kunden unterhalte und ihn bediene, dann bin ich ganz für ihn da und dann sage ich: „Tut mir leid, wenn Sie warten wollen, ein bisschen Zeit muss ich mir für den noch nehmen“, und das verstehen die meisten dann auch. Man versucht immer höflich und freundlich zu sein, aber Kritiker hat man immer.

Wir haben hier auch Schätzungen, aber dafür braucht man einen Termin. Wenn ich keinen Termin mache, dann kommen die Leute mit zwei Koffern hier rein und sagen, hier bin ich, schauen Sie sich das an. Das kann ich nicht machen. Wir machen ein Termin aus. Dann können Sie kommen. Montag ist unser Hauptschätztag. Manche sind dann böse wegen dem langen Anreiseweg, aber die hätten ja vorher anrufen können. Wenn Sie zum Zahnarzt gehen, machen sie auch einen Termin. Die sind dann schon ein bisschen angepisst, aber das ist nicht mein Problem. Es funktioniert nicht anders. Und das zweite Mal, siehe da, dann ruft er für einen Termin an. Dann funktioniert es. Man muss da einfach durchgreifen. Es ist wie in der Politik. Du kannst es nicht allen Menschen recht machen. Das geht nicht. Aber meine Geschäftspartnerin und ich versuchen, es so vielen wie möglich recht zu machen.

 

UTH: Das eine ist der Umgang mit den Bedürfnissen anderer Menschen. Wie ist es mit Ihren eigenen Bedürfnissen?

PAURITSCH: Heute kann ich in ein gutes Bekleidungsgeschäft reingehen und wo es Anzüge für Zwei-, Drei- oder Viertausend Euro gibt. Allein das Gefühl, dass ich mir jetzt diesen Anzug kaufen könnte, ist schon das Glück für mich selbst. Ich bin dann eh zu geizig und kaufe den Anzug für 500 Euro. Aber allein zu wissen, ich könnte diesen Anzug jetzt kaufen und es ginge mir dann genau so gut wie vorher – das ist das Glück schlechthin, ein großartiges Gefühl. Aber, ich habe auch einen Oldtimer. Ich mache gerne Reisen, wobei ich in letzter Zeit wenig Urlaub hatte. Ich liebe Luxusuhren und habe immer eine Uhr an. Das ist so meine Leidenschaft. Und meine Frau zum Beispiel, die hat Handtaschen, Klamotten, Uhren und Schmuck. Wir Männer sind da ein bisschen benachteiligt. Wir haben eine großartige Frau. Wir haben eine Uhr und ein Auto. Frauen haben ein bisschen mehr zur Auswahl. Aber, ich gönne mir schon gewisse Dinge, die ich brauche. Wir Männer gehen natürlich auch anders einkaufen. Wenn ich mir ein Hemd kaufe und ich sehe eines das mir passt und das mir steht, dann kaufe ich es gleich in zehn Farben. Eine Frau läuft zehn Mal hin und sucht sich das Hemd aus. Da sind wir Männer wahrscheinlich ein bisschen einfacher. Aber, es geht mir verdammt gut. Ich habe keinerlei Schulden bei niemanden. Und somit kann ich ja auch beruhigt am Abend einschlafen, ohne mir Gedanken zu machen zu müssen.

 

UTH: Und wie sieht das aus mit Bedürfnissen, die mal losgelöst sind, so von materiellen Dingen?

PAURITSCH: Also, das größte Glück ist bei mir, wenn ich angeln gehen kann. Weil dann geht man ganz in der Früh. Da sitzt keiner und spricht keiner mit Dir. Oder ich gehe gerne allein Pilze sammeln. Oder ich gehe Golf spielen. Oder ich mache mal einen Urlaub irgendwo weiter weg, wo mich keiner kennt. Das sind meine Bedürfnisse. Also Zeit, ist eigentlich das, was ich momentan wenig habe. Aber wissen Sie, dass ist jetzt so ein Hype. Als ich nach Deutschland kam, gab es zuerst fünf Kochsendungen. Auf einmal gab es 30. Wenn Sie heute gucken, gibt es vielleicht wieder nur zehn. So, jetzt ist da unsere Sendung. Unsere Sendung ist abgekupfert von den Amerikanern und auch von Kunst und Krempel. Letztere gibt es schon seit den 80er Jahren. Ist eine großartige Sendung, nur wird dort nur geschätzt, während wir einen Verkauf haben. Inzwischen gibt es in allen Programmen schon ähnliche Sendungen. Das ist wieder dieser Hype. Und ich gehe davon aus, dass das in ein paar Jahren auch wieder nachlässt und dann fängt für mich wieder das ruhigere Leben an. Dann kommt der nächste Hype, vielleicht mit Autos oder mit Immobilien oder irgendetwas, das weiß man jetzt noch nicht.

 

UTH: Bleiben wir noch ein bisschen beim Thema Bedürfnis. Welche Rolle spielen Bedürfnisse in Hinsicht auf Ihre Ziele?

PAURITSCH: Mein Ziel ist es, jetzt noch einige Jahre zu arbeiten und dann in Rente zu gehen. Ich bin jetzt in einem Alter 47, ich gehe jetzt schon ein bisschen von Gas und sehe schon das Ziel in weiter Ferne und rolle darauf zu. Ich bin nicht mehr so wie vor fünf Jahren, als ich alle Auktionatoren-Angebote angenommen habe. Ich bin rumgereist in Deutschland, in Hamburg, in Kiel. Sie können sich nicht vorstellen, ich fahre jetzt noch 60.000 Kilometer im Jahr. Es war schonmal mehr. Und jetzt nehme nur noch Aufträge an, die mir Spaß machen, die mir Freude machen. Ich habe jetzt zum Beispiel ein Auftrag angenommen, für Mc Donalds Deutschland, die machen eine große Geschichte. Und auch für Leitz. Ich weiß nicht, ob Sie Laika Kameras kennen, für die mache ich jetzt eine große Versteigerung. Da gibt es auch Antiquitäten, die über 100 Jahre alt sind. Und das interessiert mich dann, weil ich das nicht kenne. So was nehme ich dann gerne an. Und das ist auch Neuland für mich. Aber ansonsten, meine Bedürfnisse, ich will wirklich, wenn es möglich ist, gesund bleiben. Ich habe natürlich sehr viele Menschen gesehen, auch Stammkunden, die gestorben sind. Und meine Erkenntnis ist die, das schönste Tod ist der, der Udo Jürgens hatte. Der hat 80 Jahre sein Leben genossen und fällt auf einmal um. Das wäre mein größter Wunsch.

Vielen Dank an Warner Brothers und das Antony’s in Oberstaufen, die das Interview möglich gemacht haben.